Die Geschichte der afrikanischen Perlen und deren kulturelle Bedeutung

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Die Geschichte der afrikanischen Perlen ist zugleich die Geschichte der vielfältigen Lebensformen, die sich auf dem Kontinent entwickelten. Die Perlenkultur Afrikas ist geprägt, ja abhängig von Umweltfaktoren, Verfügbarkeit und Transportwegen der Rohstoffe sowie vom Einfluß der islamischen und europäischen Kulturen und der Technologien, welche seit 1400 Jahren wirksam sind.

Um die afrikanische Perlenkultur zu verstehen, muss man den Einfluss der geographischen Bedingungen auf den Charakter der afrikanischen Gesellschaften berücksichtigen. In den verschiedenen Landschaften des Kontinents (Wüsten, tropische Regenwälder, Waldregionen, Savannen und fruchtbare Flußtäler) sind die natürlichen Reichtümer ungleich verteilt. Die unterschiedlichen ökonomischen, politischen und religiösen Strukturen spiegeln diese Vielfalt der natürlichen Zonen. Schmuck in seiner Funktion als Indikator sozialer und ökonomischer Wertvorstellungen ist eine ebenso informative wie anschauliche Ausdrucksform des großen kulturellen Spannungsbogens, der diesen Erdteil kennzeichnet.

Wenn sich die Macht in den Händen eines einzigen Herrschers konzentrierte, der die vorhandenen Resourcen - Gold und Elfenbein zum Beispiel - kontrollierte, so ging das gewöhnlich Hand in Hand mit der Blüte von Kunst und Handwerk. Der König oder Häuptling förderte die Künste und dokumentierte so seine persönliche Vormachtstellung. Dadurch verfügte er über würdige Opfergaben, die er den Göttern aus Dank für den Schutz seiner privilegierten Person darbringen konnte. Perlenschmuck diente ebenfalls dazu, die Machthaber vom einfachen Volk zu unterscheiden. Deshalb ist der von spezialisierten Handwerkern eigens für den Yoruba-König - oder oba - und seinen Hof hergestellte Schmuck viel kunstvoller als der, den ostafrikanische Hirtenvölker - beispielsweise die Turkana oder Samburu - für sich selbst arbeiten. Dennoch sind Perlen für diese Hirtenvölker eine wichtige Komponente der täglichen Kleidung, die getragen werden, um Alter ehelichen Status oder die Position innerhalb der Stammesgesellschaft zu kennzeichnen.

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Perlen sind in ganz Afrika ein elementares Medium in einem vielschichtigen Kommunikationssystem. Schmuck - und besonders Perlenschmuck - demonstriert auf symbolische Art und Weise die persönlichen sozialen Umstände sowie religiöse, politische und künstlerische Vorstellungen. Perlen sind für alle Afrikaner lebenswichtig: das gilt für die Sammler- und Jägerkulturen der südlichen Kalahari-Wüste bis hin zu den wohlhabenden Stadtbewohnern in Nigeria und Ghana. Die zur Schau getragene Beziehung zum kulturellen Erbe spielt in Afrika wohl noch eine größere Rolle als in anderen Teilen der Welt.

Perlenmaterialien

Jahrhundertelang verfügten die Afrikaner über ein enorm breitgefächertes Sortiment von Perlen und Rohmaterialien. Auf dem ganzen Kontinent wurden viele organische Rohstoffe für die Herstellung von Schmuck - zum Beispiel Samen, Nüsse, Muscheln, Knochen, Elfenbein und Zähne - verwendet. Die frühesten bekannten Perlen sind scheibenförmig und bestehen aus Straußeneierschalen; man entdeckte sie an jungpaläolithischen Plätzen (10 000 v. Chr.) in Libyen und an neolithischen Fundstätten im Sudan. Auch heute noch werden Straußeneierschalen in Ost-Afrika hin und wieder zu Perlen verarbeitet; die Kung-San in der Kalahari-Wüste stellen aus diesem soliden einheimischen Material sogar große Mengen Perlen - zum Strang aufgefädelt - her! Auch Kaurischnecken, wegen ihrer Haltbarkeit und Form (sie symbolisieren die weibliche Fruchtbarkeit) geschätzt, haben eine lange Tradition in der afrikanischen Perlenkultur. Vor mehr als 10 000 Jahren wurden Kauris den Verstorbenen ins Grab gelegt; bis in die neuere Zeit fand Kauri als gesetzliches Zahlungsmittel Anerkennung.

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Die Herstellung von Steinperlen war im Afrika südlich der Sahara auf wenige Orte beschränkt. In der Nok-Kultur in Negeria im 1. Jahrtausend v. Chr. war bereits die Fertigung von zylindrischen und beidseitig gedrillten Steinperlen bekannt. Man entdeckte eine männliche Nok-Terrakottafigur, die offenbar ein Halsband aus Steinperlen trägt. Diese Tradition bestand über längere Zeit: So wurden perlengeschmückte bronzene Königsfiguren aus der Ife-Kultur des 15. Jahrhunderts n. Chr. gefunden. Perlen, die kürzlich bei Djenne in Mali ausgegraben wurden, bezeugen, dass man dort wenigstens während des europäischen Mittelalters Steine zu Schmuck verarbeitete. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich unter Oba Eware dem Großen im Königreich Benin (heue Nigeria) eine Steinperlenmanufaktur, die sich zunehmend qualifizierte und sich auf Achate spezialisierte. Wie bedeutsam die Rolle dieser Perlen im alten Benin war, man man daran ablesen, dass der oba verdiente Untertanen durch ein Mitglied des Hauses der Iwebo (Wächter der königlichen Garderobe) eigens mit Perlen einkleiden ließ. Kein adliger Würdenträger wurde ohne seinen Perlenschmuck zum oba vorgelassen, und wenn er ihn verlor, konnte die die Todesstrafe bedeuten. Die königlichen Insignien des oba wurden zunehmend kunstvoller, bis im 17. Jahrhundert der offizielle Königsornat ganz aus Korallenperlen bestand, einschließlich der Röcke, Hemden, Kronen und der Zepterstäbe. Die Portugiesen hatten im frühen 16. Jahrhundert Korallen nach Afrika gebracht.

Auch in Ilorin in Nigeria gab es eine Steinperlenindustrie. Duch arabische und sudanesische Händler gelangten kleine Achat-, Karneol-, rote Jaspisklumpen und sogar alte Steinperlen nach Ilorin, die dort von einheimischen Handwerkern zu Perlen ver- und umgearbeitet wurden. Die meisten heute in ganz Afrika gefundenen Achat- und Karnelperlen stammen jedoch entweder aus Indien oder sind Kopien von indischen Perlen, hergestellt im 19. und 20. Jahrhundert in Idar-Oberstein. Heute produzieren die Dogon in Mali noch immer großformatige Granitperlen.